#NAM: Namibia in 10 Tagen – Schotterpisten, Einsamkeit und wilde Tiere

 

Windhoek – Abseits des Getümmels in Afrikas Hauptstädten Addis Abeba, Nairobi oder Kapstadt, die allesamt zwischen drei und vier Millionen Einwohner unterbringen, bietet Namibia reichlich Platz für Auszeit und Entspannung – schließlich beherbergt das Land lediglich 2,5 Millionen Menschen, auf einer Fläche die mehr als doppelt so groß wie Deutschland ist. Ob Tierleben, Landschaften, Abenteuer, Menschen oder Kultur – Namibia ist facettenreich. Dieser Bericht handelt von einer Reise, die sich über 3.500 Kilometer durch das Land der roten Stille zieht und dabei von Erlebnissen in der sonnig-heißen Kalahari-Wüste, der deutsch-namibischen Atlantikmetropole Swakopmund, dem geschichtsträchtigen Waterberg National Park und dem von Dürrenot-geplagten Etosha National Park berichtet.

Namibia eats tires – Namibia isst Reifen: Ein öffentliches Verkehrsnetz ist nahezu nicht existent. Das ist allerdings nicht weiter dramatisch, da sich die knapp 5.000 Kilometer Teerstraße und 41.000 Kilometer Sandwege auch sehr gut auf eigene Faust erkunden lassen. In den trockenen Sommermonaten April bis November verwandeln sich die Schotterstraßen in unangenehme Wellblechpisten, sodass man den eigenen Fahrstil dementsprechend anpassen sollte – ein Allrad-Wagen erleichtert die Reise enorm, ist allerdings keine Voraussetzung. Da Tankstellen meist mehrere Hundert Kilometer voneinander entfernt liegen und der Tourismus-Verkehr in der Regel nur in den Reisemonaten Juli bis Oktober rege ist, bietet sich ein vorheriger Crashkurs im Reifen-wechseln an – wir werden in diesem Urlaub glücklicherweise nur eine Radkappe verlieren.

Windhoek – Swakopmund – 390 Kilometer: Lange Autofahrten bergen das Potenzial zum Stimmungskiller zu werden. In Namibia ist selbst die Anfahrt zum nächsten Tourismus-Ziel ein Erlebnis, da die Natur in Form von trockenen, bergigen, wilden Sand- und Graslandschaften und Tieren reichlich zu bieten hat. Nach den ersten drei Stunden entscheiden wir uns zu einem Zwischenstopp in der Namib’s Valley of a Thousand Hills Lodge, die den letzten Punkt vor dem Eintritt in den Namib-Naukluft National Park markiert. Glücklicherweise ist die Unterkunft zu dieser Zeit wie leergefegt, sodass die namibische Pächterin uns von der Region und ihren persönlichen Plänen berichtet. Von der Veranda schaut man auf das Guab Valley, einem Hochplateau in der Namib, das bis vor kurzem noch nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich war.

Die letzten 200 Kilometer führen uns durch das größte Schutzgebiet Namibias, den 1979 proklamierten Namib Naukluft Park. Die Namib ist die älteste Wüste und beherbergt zugleich die höchsten Dünen dieser Welt, die wir in den kommenden Tagen im südlicher-gelegenen Sossusvlei erklettern werden. Zunächst passieren wir die Namib von Ost nach West und erreichen das „südlichste Nordseebad“ – besser bekannt als Swakopmund. Die 44.000 Einwohner umfassende Stadt liegt direkt zwischen Wüste und Atlantik und ist überwiegend deutschsprachig. Selbstverständlich also, dass es im Brauhaus Swakopmund Schnitzel, Pommes, Salat und Paulaner Weißbier gibt!

Namibias Abenteuerspielplatz – Das milde Klima in der Hauptsaison Dezember und Januar zieht besonders viele Touristen an. Diese interessieren sich nicht nur für die prächtigen Gebäude aus der Kolonialzeit, sondern auch für die Strandpromenade, die Küstenstraße zu einer der größten Robbenkolonien bei Cape Cross und die Ausläufer der Namib-Wüste. Bootsausflüge, Helikopterrundflüge und Fallschirmsprünge sind nur einige der zahlreichen Aktivitäten, die „Swakop“ im Angebot hat. Anstelle einer Verkostungs- und Brauereitour entscheiden wir uns für einen dreistündigen Quad-Trip durch die Namib-Wüste, bei dem wir mit bis zu 60 Km/h über die Dünen fegen.

Swakopmund – Solitaire – Sossusvlei – 400 Kilometer: Den Muskelkater vom Vortag in den Beinen, machen wir uns auf den Weg nach Süden. Den „berühmten“ und in vielen Reiseführern umworbenen German Apple Cake der „Moose McGregor Desert Bakery“ in Solitaire erwähne ich an dieser Stelle nur beiläufig. Solitaire selbst besteht aus einem Haus, einer Tankstelle und der besagten Bäckerei – selten war die Umschreibung „irgendwo im nirgendwo“ so zutreffend. Seitdem der schottische Besitzer Percival George „Moose“ McGregor vor einigen Jahren verstorben ist und der einstige Familienbetrieb von neuen Käufern übernommen wurde, ist dieser gepriesene Apfelkuchen leider not „the best in the whole of Namibia“ anymore. Aber gut – wer verkauft schon German Apple Cake in der Wüste?

Big Daddy & Dead Vlei – Nach einem Übernachtungsstopp im Desert Quiver Camp fahren wir früh am nächsten Morgen zum Sesriem Canyon, wo sich das Gate zu den Sanddünen in Sossusvlei befindet. Das Permit erhält man problemlos bei der Einfahrt – bezahlt wird allerdings erst auf dem Rückweg. Aufgrund der zahlreichen Touristen-Busse entscheiden wir uns unterwegs nicht zu halten und die 65 Kilometer lange Straße bis zum PKW-Parkplatz in einem Rutsch zu fahren, um von dort zur Big Daddy-Düne und Dead Vlei zu wandern. Die letzten vier Kilometer legen wir mit einem Allrad-Shuttle zurück, da unser Toyota Avanza uns sicherlich nicht bis zum 4×4-Parkplatz bringen würde – eine Radkappe haben wir bis hierhin bereits verloren.

Die bekannteste Düne wird von den Einheimischen „Big Daddy“ oder auch „Crazy Dune“ genannt. Mit rund 350 Metern Höhe gehört sie zu den höchsten Dünen der Welt. Nach anstrengenden 30 Minuten Anstieg und einigen Pausen erreichen wir bei extremer Hitze den höchsten Punkt und genießen die wundervolle Aussicht auf die kleinere „Big Mama Düne“ und die umliegende Gegend. Beim Abstieg entscheiden wir uns für die deutlich schnellere Variante – wir rennen die Düne mit großen Schritten an der steilsten Stelle herunter. Erschöpft und voller Sand stehen wir plötzlich im Dead Vlei, einem von Dünen umgebenen, ausgetrockneten Krater. Einzig einige Touristen und ein paar tote, erstarrte Kameldornbäume, die durch die extreme Trockenheit der Wüste konserviert wurden, teilen sich diesen Ort mit uns.

Sossuvlei – Waterberg Wilderness National Park – 660 Kilometer: Mit dem verbliebenen Sand in den Schuhen und Rucksäcken, machen wir uns am nächsten Tag auf Richtung Norden. Der geschichtsträchtige Waterberg liegt etwas abseits der Hauptverbindungsstraße und eignet sich gut für Halbtages-Wanderungen. Das Plateau ragt fast 200 Meter aus der Ebene heraus, wird von einem 50 Kilometer langen und 16 Kilometer breiten Tafelberg umschlossen und beherbergt seltene Wildarten wie die Rappenantilope, Büffel, Spitz- und Breitmaul-Nashorn. Historisch bedeutsam ist dieser Ort für die hier ansässigen Herero vor allem wegen der Schlacht am Waterberg, bei der 1904 ein Großteil des Herero-Volkes durch deutsche Schutztruppen in die Wüste verdrängt wurden und verdursteten. Heute wird in diesem Zusammenhang vom deutschen Völkermord an den Herero gesprochen, bei dem 80 Prozent der indigenen Herero ihr Leben verloren.

Die Waterberg Plateau Lodge ist eine der wenigen staatlich-betriebenen Unterkünfte und bietet bei Chalets-Übernachtungen ein reichhaltiges Drei-Gänge-Menü an. Großzügig entscheiden wir uns unseren Wein mit einem deutschen Ehepaar am Nachbartisch zu teilen. Wir trinken eine Flasche nach der anderen und freuen uns, dass am nächsten Morgen lediglich zwei Gläser auf der Rechnung abgerechnet werden. Bis auf uns und das deutsche Pärchen aus Bonn ist der National Park am nächsten Morgen wie leergefegt, sodass wir die überschüssigen Gläser Wein vom Vorabend bei einer Wanderung ablaufen. Dabei begegnen wir unter anderem dem namibischen „Echten Eichhörnchen“ (das ist im Gegensatz zu den zum Verwechseln-ähnlichen Degus nicht an Fingern knabbert, sondern in Finger beißt), einem Nasenbären und Antilopen-Dame Amber, die seit jeher mit der Flasche großgezogen wird und im Gegensatz zu den Eichhörnchen „leckt“ und nicht „beißt“.

Waterberg Wilderness NP – Etosha National Park – 300 Kilometer: Unsere Erwartungen an den Etosha National Park sind hoch. Wer sich für das südliche Afrika interessiert, dem werden Geschichten über den einzigartigen Wildbestand des Parks erzählt, über einige der seltensten Tierarten, die es nur noch hier gäbe, und über die große Salzpfanne in Mitten des Parks, die sogar aus dem Weltall zu sehen sei. Dies ist seit einigen Jahren nicht mehr so. Die Salzpfanne ist ausgetrocknet und alle natürlichen Wasserstellen sind versiegt. Namibia erlebt aktuell die trockenste Zeit seit über 90 Jahren – und das Klima macht bekanntermaßen nicht vor Landesgrenzen und Zäunen halt. Auch deshalb hat die Regierung im Mai den nationalen Katastrophenfall ausgerufen und über 1000 Wildtiere an private Reviere verkauft; Der Millionenerlös soll demnach in Tierschutzprojekte investiert werden. Heute schleppen sich die Tiere im Etosha durch das staubtrockene Wildreservat zu drei künstlich angelegten Wasserstellen. Für Touristen ist das ideal, da man nur eines dieser Wasserlöcher ansteuern muss und das rege Treiben der Tiere beobachten kann.

Ende gut, alles gut – für unsere vorletzte Übernachtung stoppen wir in der Kai-Oms Backpackers Lodge in Outjo, die etwa 90 Minuten südlich vom Etosha National Park liegt. Mit der fehlenden vorderen Radkappe im Hinterkopf – schließlich wollen wir kostspielige Aufschläge der Autovermietung vermeiden – frage ich die sympatische Gastgeberin nach einer Werkstatt in der näheren Umgebung. Sie schüttelt den Kopf und verschwindet im Garten, der so verdrahtet und mit allerlei Schrott zugestellt ist, dass er einen Ausstellerplatz beim Arnsberger Kunstsommer verdienen würde. Nach einem kurzen Moment kommt sie zurück und hält eine originale Radkappe für unseren Toyota Avanza in den Händen. Wir einigen uns auf eine besonders gute Booking.com-Bewertung, die größte Schokolade die es im Supermarkt zu kaufen gibt, und verabschieden uns richtig Windhoek.


Über Kommentare, Anmerkungen und Tipps freue ich mich immer sehr, schickt daher gerne eine Email an info@globaltravelling.de.

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